Boat Race

Vom Boat Race Oxford – Cambridge 2010 berichtet Gerhard Meuer

Schon als mir bekannt wurde, dass Simon Gawlik sich um einen Sitz im Achter der Universität von Oxford bewirbt, haben Karin und ich spontan den Flug nach London gebucht. Kaum später entstand gemeinsam mit Simons Eltern und Oliver Palme der Gedanke ein kleines Fest zu machen und das Rennen in Frankfurt als Liveübertragung den Ruderfreunden und Gästen anzubieten.

Zum erstem Mal beim insgesamt 156ten Rennen der beiden Eliteuniversitäten von Cambridge und Oxford könnte ein Frankfurter Ruderer, ja sogar ein Nassove sitzen, das wäre ja eine tolle Sache. Aus dem Gedanken entstand der Wille die Veranstaltung mit dem Regattaverein und der Nassovia zu organisieren, wohl wissend dass die endgültige Qualifikation erst Anfang März, also 4 Wochen vor dem Rennen am Ostersamstag, erfolgen würde. Wir hatten also noch über 4 Monate Zeit etwas auf die Beine zu stellen.

Eine kleine Truppe begann mit den Planungen, einer „Rechnung“ mit mehreren Unbekannten. Dank Helfern aus Regattaverein, der Nassovia und besonders Annelie und Josef Gawlik kam die Planung schnell in Gang und erst mit der erlösenden Nachricht, der Nominierung von Simon ins Blue Boat, konnten die Ampeln für den Event am 3. April endgültig auf Grün geschaltet werden. In Erwartung von etwa 100 Besuchern wurde die Turnhalle als Austragungsort des Liverennens auserkoren, eine Großbildleinwand sollte die Atmosphäre so gut wie möglich herüberbringen. Viel Detailarbeit war nötig, die Pressemaschinerie wurde rechtzeitig über Oliver Palme erfolgreich in Gang gesetzt.

Josef Gawlik und ich hatten für den Karfreitag unabhängig unsere Flüge nach London gebucht. Für mich wurde daraus ein kleines Nervenspiel, denn um 8:30 Uhr am Flughafen in Köln hatte ich zwar mein Ticket und meine Brieftasche, doch leider enthielt letztere nicht meinen Personalausweis. Wut über mich selbst,  also versuchen den Flug umzubuchen, was zum Glück für den Abend gelang. Wieder  zurück nach Frankfurt und es am Abend mit Ausweis noch einmal versuchen. London empfing uns mit seinem typischen nasskalten Wetter und am Renntag waren wir frühzeitig bei den Bootshäusern um die letzten organisatorischen Fragen zu klären und den Flair der Veranstaltung voll aufzunehmen. Das Ziel war es für mich in einem den mitfahrenden Motorboote einen Platz zu ergattern, um so das Rennen hautnah zu erleben. Schließlich wurde ich Elternteil von Simon und der Platz war gesichert, dafür wurde Andreas, der ebenfalls angereiste langjährige Schulkamerad aus Höchst zum Pressemann. Ganz wohl gefühlt hat er sich dabei auch nicht, denn die richtigen Berufskollegen waren ihm materialmäßig doch deutlich erkennbar überlegen.

Wir konnten Simon vor dem letzten leichten Training noch sprechen und ihm alles Gute wünschen. Die Nervenanspannung war auch bei Simons Vater inzwischen stark gestiegen, dazu immer wieder mal gegenseitige Anrufe und die Versicherung, dass die letzten Vorbereitungen der Veranstaltung in Höchst auch nach Plan liefen. 

Was besonders im Startbereich an der Putney Bridge alles aufgebaut wurde war schon sehenswert. Lastwagenweise wurden alleine Drängelgitter abgeladen und aufgestellt. In den vielen Bootshäusern große Aktivitäten, ich zählte über 20 Fahrzeuge der Fernsehsender. Die Ufer füllten sich immer mehr und mit der Auslosung der Bahnen begann dann kurz vor 15 Uhr der reale Countdown. Vorher bringen Sicherheitskräfte der Armee auf dem Wasserweg den großen Pokal. Während die Kapitäne Hand an diesen legen, werden mit einem Geldstück von 1829, dem Jahr der ersten Regatta, die Startbahnen gelost. Oxford gewinnt den ersten Akt und wählt die Surreyseite an den Rudervereinen. Die Mannschaften betreten unter großem Applaus vieler Hundert Zuschauer in der direkten Umgebung die Bühne. Die Anspannung ist allen anzusehen und die zweiten Mannschaften, Issis für Oxford und Goldi für Cambridge gehen zu Wasser und bereiten sich auf Ihren Start vor, der 30 Minuten vor dem großen Race stattfindet. Ich berichte via SMS immer wieder nach Höchst und bekomme Nachricht, dass dort alles so läuft, wie wir es gedacht haben, Entspannung ist wenigstens hier angesagt.

Wir, die Oxford „Eltern“ tragen inzwischen ein gelbes Schild mit dem Namen Leopard um den Hals. Bald stellt sich heraus, es ist der Name eines ehemaligen Militär-Schlauchboots mit dem wir das Rennen begleiten werden. Erst 45 Minuten vor Rennbeginn werden wir  aufgenommen und können dann auf dem Wasser den Start von Issis und Goldi verfolgen. Mit in unserem „Gummiboot“sind die Eltern des Kapitäns Sjoerd Hamburger aus Holland, sowie Mutter und Vater Winklevoos, deren Zwillingssöhne im Boot sitzen und die durch Ihre „Erfindungen“ in der Internetkommunikation trotz Ihrer 27 Jahre Multimillionäre sind. Die Spannung steigt und es erreicht uns die Nachricht das Goldi  Issis geschlagen hat. Fast auf die Minute pünktlich erfolgt dann der Start. Ein Riesengetöse an den Ufern, Applaus und Anfeuerungsrufe schallen zu uns aufs Wasser herüber. Das Blue Boat aus Oxford beginnt sich langsam in Front zu schieben und arbeitet sich bis zur Hammersmith Bridge einen leichten Vorsprung heraus, der im folgenden Bogen schon fast eine Bootslänge beträgt. Erster Optimismus macht sich breit, die Anfeuerungsrufe ufern zu wildem Schreien aus.

Doch trotz des Innenbogenvorteils für Oxford lassen sich die hellblauen aus Cambridge nicht abschütteln. Bord an Bord geht es Richtung Barnes Bridge. Mehrfach berühren sich die Riemen beider Boote, die Steuerleute leisten Schwerstarbeit und jeder versucht dem anderen den Schneid abzukaufen. Der Schiedsrichter ist ständig am Winken um beide Boote doch sicher ins Ziel zu bringen. Zu unserem Entsetzen verschaffen sich in dem nun beginnenden langen Rechtsbogen die Hellblauen einen Vorteil und drängen Oxford nach links ab. Jedes der etwa 15 verfolgenden Begleitboote versucht sich durch seitliches Ausweichen einen besseren Blick auf das Geschehen ganz vorne zu verschaffen. Wir sind im Leopard dabei etwa 100 m hinter den beiden Achtern, die hart um den Sieg kämpfen. Das Ziel kommt immer näher und auch die Vorahnung, Simon und Oxford werden nicht gewinnen. Cambridge bleibt in Front und als die Chiswick Bridge erreicht ist und die Eltern im gegnerischen Boot die Arme hochreisen, ist es endgültig. Sieger in der 156ten Austragung dieses weltberühmten Rennens ist Cambridge, Niedergeschlagenheit im Oxfordachter und eine atemlose Stille im Elternboot ist der großen Anspannung gewichen.

Die Boote legen an, Cambridge befindet sich im Ruderhimmel und die Verlierer landen im Tal der Vergessenen. Die anschließende Siegerehrung berührt mich sehr negativ, denn der Zweite wird mit kurzem Handschütteln praktisch über die Bühnen gewinkt. Blutleere Gesichter kommen die Treppe herunter, wir können Simon in die Arme nehmen und ein wenig Trotz spenden, aber die Fassungslosigkeit ist aus seinem Gesicht zu lesen.  „Wir konnten in Führung liegend den Sack nicht zumachen“, sagt er mit niedergeschlagener Stimme. Doch während die Sieger und Ihre Fans laut feiern,  wird Simon gleich zu Interviews abgeholt.  Die Fernsehsender RTL und ZDF sowie BBC warten schon auf ihn und nehmen ihn direkt in Beschlag. Wir warten ab und verabschieden uns bis zum Abend, wo wir dank Josefs Vorsorge Karten zum Festbankett  und Race Ball haben und Simon noch einmal treffen können. Dabei konnte ich feststellen, dass Simon in England großen Respekt genießt.

Für uns geht es hektisch zurück zum Hotel, endlich warm duschen, Kälte und Nässe abschütteln, uns umziehen und wieder zu U-Bahn und zurück nach Putney. Im  dortigem Hurlingham Club, welcher eher einem Schloss gleicht, findet der Abschluss statt. Wir erhalten Einlass, obwohl wir die geforderte dunkelblaue Fliege nicht tragen. In wunderschöner Umgebung weicht die Hektik des Tages bei allen Anwesenden. Während des Essens sind die Sportler der Oxfordcrews von den Eltern und Freunden noch getrennt, danach aber kamen wir noch einmal zusammen. Simon hat uns einige seiner Bootskameraden vorgestellt, u. a. die Brüder Winklevoos. Auch die Ruderlegende Sir Matthew Pincent war in der Nähe, ein Oxfordmann durch und durch.

Simon wirkte deutlich erholt und schon wieder wie neu geladen. Seine Gedanken konnten sich schon wieder mit der Zukunft beschäftigen, die zwar noch einige Fragezeichen hat, aber von ihm sehr optimistisch betrachtet wird. Wir einigen uns darauf, dass Niederlagen wichtige Bestandteile des Lebens sind und Platz machen für neue Pläne und auch für Siege. Wohin sein  sportlicher  Weg nun führt,  werden wir sicher bald verfolgen können. Ich finde er ist aus seinem Jahrgang zu einer großen ruderischen Konstante geworden, vielleicht besteht ja die Chance diese Ruderkarriere auch in Deutschland fortzusetzen. Das Rüstzeug hat er dabei sicher und dies trotz der manchmal belächteten 1, 86 m Körpergröße. Die Antwort darauf hat er inzwischen mehrfach und sehr deutlich gegeben.

Der Kapitän Sjoerd Hamburger hatte zuvor unter großem Applaus seinen beiden Booten für die tolle Arbeit und den Teamgeist gedankt und seinen Stolz und den der Oxfords  für dieses Team und die 6-monatige Plagerei ausgedrückt. Josef und ich zogen uns bald zurück. Andreas blieb noch beim Ball, Simon hatte ihm sofort seine Getränke angeboten, er hat wohl kaum etwas davon angerührt. Das Xchanging Boat Race 2010, so die offizielle Bezeichnung, gehört der Vergangenheit an. Wir durften hautnah dabei sein, ein absolut unvergessliches Erlebnis. Mein Dank gilt besonders Annelie und Josef Gawlik für deren tolle Unterstützung. Es war großartig zu hören und zu sehen, wie weit sie sich gerade auch mit den ruderischen Dingen in Simons Sportlerleben eingebracht haben und sich dabei viel Wissen rund ums Rudern angeeignet haben. Dank auch der Nassovia und den Helfern um Daniel Rosenberger und Marcel Fritsche bei der Heimfeier. Mit Oliver Palme schließlich verfügen wir endlich in Frankfurt über einen jungen Mann der Organisation und Medienarbeit hervorragend beherrscht. Last not least ein Dank dem „Grundsteinleger“ für Simons Ruderkarriere, seinem Trainer Olaf Moll.